Nachhaltiges Webdesign, Zukunft Gestalten, Systemschriften

Nachhaltiges Webdesign – sind Systemschriften eine Lösung?

Illustration: Hannah Stollenwerk

Was macht Websites nachhaltig? Einerseits geringer Datentransfer. Denn das Internet verbraucht Unmengen an Energie und wäre als Land der siebtgrößte Emittent von CO2 weltweit. Andererseits ein achtsamer Umgang miteinander: Privatsphäre, Barrierefreiheit, Gemeinwohl und so viel mehr. Gerrit Schuster gestaltet als Freelancer nachhaltige Websites für Unternehmen und Agenturen.

Sie empfehlen nach Möglichkeit Systemschriften statt Webfonts zu verwenden, um dadurch Datenlast zu reduzieren. Könnte es bei den heutigen Möglichkeiten mit Webfonts und Variable Fonts nicht auch als eher rückschrittlich empfunden werden, wenn man auf Systemschriften zurückgreift?

Großartige Frage. Wenn wir unsere Perspektive nicht verändern: Sicher. Die Möglichkeiten von Systemschriften sind begrenzt. Allerdings lebt unsere Gestaltung nicht im Vakuum. Wir tragen Verantwortung für Nutzer:innen, Auftraggeber:innen und für einen lebenswerten Planeten. Ich sage nicht, wir sollen deshalb zurück in die Urzeit des Webs. Sondern verantwortungsvoll mit unseren Gestaltungsfreiheiten umgehen. Und das heißt im 21. Jahrhundert definitiv, unsere planetaren Ressourcen achtsam zu nutzen. In diesem Licht kann ich keinen Rückschritt erkennen.

Wie hoch haben Sie die Bereitschaft von Unternehmen erlebt, sich für eine nachhaltigere Website von ihrem Corporate Design zu lösen?

Als überraschend hoch bei kleinen und großen Unternehmen gleichermaßen. Das könnte an meiner vorrangig »öko-sozialen« Klientel liegen. Aber wenn ich mir die Gründe für die Neugestaltung einer Website vor Augen führe, ergibt es durchaus Sinn: Websites sind als Marketinginstrumente in eine übergeordnete Strategie eingebunden. Wenn diese Strategie »nachhaltiger werden« heißt, wandelt sich auch ein Corporate Design. Dann ist die Bereitschaft da, neue »sichtbare« Zeichen zu setzen.

Jetzt denken die Leser:innen Greenwashing! Diese Gefahr besteht. Kluge Unternehmen sind sich allerdings wohl bewusst, dass sie einzig mit einem grün angemalten Logo niemanden mehr hinter dem Ofen hervorlocken. Umso tiefer ein nachhaltiger, sprich: verantwortungs- und respektvoller, Anspruch in die DNA der Unternehmen Eingang findet, desto mehr Vertrauen wird es in Zukunft erlangen. Vertrauen ist die eigentliche Währung.

Können Sie uns Tipps geben für den Einsatz von optimierten Schriftdateien im Webdesign?

Der wichtigste Tipp ist, nicht schnellschussmäßig alle typografische Raffinesse »für den Planeten« über den Haufen zu werfen. Eine Schriftdatei wiegt im Vergleich zu Videoinhalten sehr wenig. Ihr Einsatz sollte lediglich einen überzeugenden Grund aufweisen.

Zweiter Tipp, wie bereits angeschnitten: Web-safe fonts oder moderne System-UI-schriften nutzen, wo es das CD zulässt. Auf Apple-, Google- oder Microsoft-Systemen wird dann automatisch die jeweilige UI-Schrift angezeigt. Kein Datentransfer nötig.

Dritter: Schriftdateien lokal auf dem Server einbinden anstatt sie über Adobe, Google und Co. zu laden. Das hat vor allem Privacy-Gründe, weil diese Anbieter die IP-Adressen aller Seitenbesucher:innen registrieren.

Vierter: Moderne effiziente Dateiformate nutzen (.woff2 und .woff) und wenn möglich die Zeichenanzahl reduzieren. Es existiert kein Grund, kyrillische Schriftzeichen zu übertragen, wenn kein Kyrillisch angezeigt wird. Dieses Reduzieren wird als Subsetting bezeichnet und kann über Online-Tools erledigt werden.

Was würden Sie den Leser:innen noch gerne mitteilen?

Das Thema ist natürlich umfangreicher als hier kurz zusammengefasst. Als Einstieg bietet sich mein Artikel auf meiner freien Methodensammlung nachhaltiges-webdesign.jetzt an. Wer mehr wissen möchte, findet dort auch Links zu tiefer gehenden Ressourcen sowie andere Stellschrauben für mehr Nachhaltigkeit im Designprozess.

Froh stimmt mich, dass sich die Design-Community organisiert und an Zugkraft gewinnt: Ethical Design Network, the ethical move, Sustainable UX, Climate-Tech, Creatives For Future und viele mehr. Kooperieren, gemeinsam lernen und voran gehen war noch nie so einfach wie jetzt.

Der Beitrag erschien in der Kolumne »Zukunft Gestalten« im Grafikmagazin 03.22.

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