Das Buch »formatio naturalis« lädt auf eine Forschungsreise ein, um von der Natur zu lernen und ihre Weisheit in kreative Prozesse und Unternehmenskulturen zu integrieren, indem es das Kognitive mit dem Emotionalen verbindet. Im Gespräch mit der Autorin Dr. Sybs Bauer.
Genau mit dieser Frage startete ich meine Forschungsreise. Naiv glaubte ich anfänglich, in der Evoutionsbiologie würde ich fündig, aber leider fand ich weit weniger als ich hoffte, durch ergänzende Fachgebiete jedoch unerwartet Spannendes.
Um von der Natur zu lernen, ist es unabdingbar, uns selbst als Teil der Natur anzunehmen und die Trennung Mensch-Natur aufzuheben. Das weitet die Fragestellung enorm aus, denn wenn wir die Natur verstehen wollen, müssen wir auch uns verstehen lernen. Das allerdings bedeutet, sich selbst zu begegnen und sich auch den eigenen Lebenslügen zu stellen. Das ist die schwierige Seite. Gleichzeitig liegt hier allerdings auch eine tiefe Erleichterung verborgen, denn in uns als Naturwesen liegt das gleiche unglaubliches Potenzial, die die Schönheiten, die wir so sehr bewundern, hervorbringt.
Um das Wissen in unsere kreativen Prozesse zu integrieren, plädiere ich für ein gefühltes Verständnis. In unserem Kulturkreis sind wir stark vom Wissen, unserem Verstand und der Logik geprägt, deswegen ist für mich der Anfang sachlich-argumentatives Verständnis, um dann den Schritt des beyond zu wagen; sprich, die angeblichen Komplementaritäten hinter uns lassen. Das klingt surreal, birgt jedoch eine unglaubliche Schönheit in sich selbst.
Auf jeden Fall können wir die akuten Probleme nicht mit dem Denken lösen, mit dem wir die Probleme schufen! Das ist die allerwichtigste Erkenntnis! Wir sind also gezwungen, neu denken zu lernen. Was also liegt näher, als von der Natur zu lernen, die seit Millionen von Jahren der Inbegriff von Nachhaltigkeit und 100% Recycling ist? Genau das fördert mein Buch – und mag den ein oder anderen auch fordern.
Unternehmen stehen gerade vor einem fast unlösbaren Dilemma. Eigentlich müssten sie sich selbst abschaffen, aber gleichzeitig auch weiter produzieren. Was tun? Analyse und Akzeptanz der aktuellen Situation ist der erste Schritt, Verständnis in dem obigen Sinne der zweite und folgend, als Teil des beyond, im Sinne von Erich Fromm, das »So-sein« der Natur (wieder) wahrnehmen lernen – und begleitend die Anwendung! Ich könnte es auch emotionaler ausdrücken: Lasst uns die Liebe und Demut zum Lebendigen in unser Leben zurückzuholen! Denn, was wir lieben, schätzen wir und bewahren es.
Hier ein Beispiel der Natürlichen Intelligenz: Die Natur ist neutral. Sie kennt keine Bewertungen oder Verurteilungen, also die Einteilung in Gut und Böse, in gewinnen und verlieren oder in richtig und falsch! Wäre es nicht eine freudvolle Veränderung unserer Kultur, ja in unserem Leben, wenn wir unsere Energie nicht in die ständigen Beschwerden verschwendeten, sondern in eine zuversichtliche, freudig-suchende Haltung investierten? Damit meine ich nicht ein Positiv-Washing, ähnlich dem Green-Washing, sondern will auf die Veränderung hinweisen, die das Ende mit Ver- und Beurteilungen, also das Ende des Drangs, von etwas befreit werden zu müssen, mit sich bringt, zu einem Anfang der echten Freiheit, uns für etwas entscheiden zu können.
Die Ästhetik der Natur basiert auf einer fraktalen Welt, dem Goldenen Schnitt, also einer klaren Geometrie – das ist eigentlich bekannt und kann jederzeit gelernt werden. Weniger offensichtlich ist die Haltung dahinter: Hier geht es um ein wachsendes Beziehungsgeflecht in einer absoluten Neutralität und fern unserer militärischen Hierarchie. Immer steht ein Teil zum anderen in Beziehung und das Große wird im nächsten Moment das Kleine. Das ist das Wichtigste am Goldenen Schnitt.
Für Unternehmen hieße das ein fraktales Wachstum statt in 7-Meilen Stiefeln gewinnen zu wollen. Und die Führungsebene wäre sich ihrer Aufgabe bewusst, nämlich ein natürliches Beziehungsmanagement.
Als Designerin bewundere ich die Schönheiten der Natur und meine persönliche Neugier verwandelte sich in einen Drang, den Weg dorthin verstehen zu wollen. Als mir sich die Möglichkeit einer Dissertation an der Technischen Universität München bot, und ich Ernst Peter Fischer als Zweitgutachter gewinnen konnte, wagte ich mich an das Thema.
Für das daraus entstandene gefühlte Sachbuch wünsche ich mir, dass es viel gelesen wird, viele Menschen erreicht und gerne auch diskutiert wird. Ich wünsche mir, dass die Leserinnen und Leser die faszinierenden Prinzipien der Natur nutzen, gleichzeitig die Liebe zur Natur vertiefen und das unendliche Reich der Möglichkeiten in sich eröffnen. Das wäre grandios!
Eine Warnung sei vorweggenommen: Das Buch beinhaltet keine Rezepte. Es ist wissenschaftlich, teilweise philosophisch und wirft den Leser und die Leserin auf sich selbst zurück. Und doch findet man Pathways, um das eigene Kreieren zu vertiefen. Ein Beispiel: Die räumliche Gestaltung für das kreatives Arbeiten sollte ähnlich eines stillen Klosterraums sein, der die belebte Natur reichhaltig integriert. Warum? Weil Natur mit uns Naturwesen über unser Immunsystem kommuniziert. Für mich bringt das Wissen über die Natur in unsere Selbstverantwortung zurück und gleichzeitig eröffnet es eine wunderbare Zuversicht!
formatio naturalis
Auf den Spuren der Gestaltungskunst der Natur und was wir von ihr lernen können
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